Nahe Quistinic, zwischen Pontivy und Lorient, liegt das Museumsdorf
„ Poul - Fetan ", was übersetzt " Waschplatz am Brunnen" bedeutet.
Früher lebten hier Bauernfamilien. Das älteste Haus am Platz, "Ti Louise",
stammt aus dem XVI. Jhdt. Im XVII.Jhdt. , das weiß man aufgrund noch
vorhandener Pachtverträgen, gehörte das Dorf dem Grafen von Menoray und
Charles Beuget, der im XVIII. Jhdt. nach " Poul Fetan " siedelt.
Seine Nachkommen besaßen im XIX. Jhdt. fast 2/3 des gesamten Landguts
und die Mehrzahl der Häuser. Die Bewohner wurden immer weniger und bald
verließ auch der letzte Einwohner das Dörfchen.
1976 übernahm die Gemeinde
Quistinic das Gelände und
renovierte die Gebäude, bis
1992 hat es dann noch
gedauert, bis das Dorf
wiederbelebt werden konnte.
Die Häuser, die früher mit
Roggenstroh gedeckt waren,
wurden der besseren Haltbarkeit
wegen, mit Reet-Stroh eingedeckt .
Die Dachfirste sind mit Erde
abgedichtet und bepflanzt worden.
Die Pflanzen saugen das
Regenwasser auf und ihre Wurzeln
sollen die Erde festigen. Aus dem
Häuschen Nr. 3, " Ti Louise " ,
kommt uns ein wunderbarer
Duft entgegen, dem folgen wir -
und siehe da, drinnen holt gerade
eine junge Frau in bretonischer
Tracht einen Crepe aus dem
Kamin, wir bekommen ein
Stückchen davon ab.
Nebenbei erzählt sie vom Leben
der Menschen in der damaligen
Zeit: Von den Böden in den
Häusern, die früher aus einer
Mischung von Erde, Ton und
Asche gefertigt waren und
die die Bewohner mit ihren
Holzschuhen eingeplättet
haben. Mußte eine Familie den
"Boden stampfen" ("leur nevez"),
war das immer ein willkommener
Anlass für ein Fest. Alle
Dorfbewohner eilten herbei und
halfen beim Stampfen. Danach
saßen sie zusammen und
plauderten. Die Frauen saßen vor
der Hütte und spannen Wolle für
neue Kleider oder Hanf für Tuche
und Seile. Zweimal im Jahr, im
Frühling und im Herbst, traf man
sich am Waschplatz zur " Großen
Wäsche ".
Mühsam wurden die großen Leinen- und Hanftücher 3 Tage lang gekocht, eingeseift und
geklopft, ausgewrungen und gebleicht. Jede Frau hatte ihren eigenen Platz an der Quelle,
die älteren waren selbstverständlich näher an der Quelle. " Bugad " so hieß diese
" Große Wäsche ",
Die Schafe, die die Wolle
lieferten, züchtete man selbst.
Eine weitere junge Frau
führt vor, wie mühsam die
Wolle gekämmt werden
musste, um Schmutz und Gras
zu beseitigen. Ein kleiner
Besucherjunge darf
der Frau helfen, mit einem
Spinnstock die kurzen und mit
dem Haken die längeren Fasern
zu spinnen. Mit der Spindel
dreht er die Fasern und dehnt sie
und erzeugt so den Faden. Der
Junge stellt sich recht geschickt
an und man sieht, dass es ihn
sehr interessiert und dass es ihm
Spaß macht.
Um 50 gr. Wolle mit der Handspindel zu spinnen brauchte man etwa drei Stunden. Mit dem
Spinnrad schafft man es in einer Stunde. Zum Färben der Stoffe wurden eigens Pflanzen
angebaut. Die fertige Wolle wurde entweder als Faden oder auch verstrickt verkauft.
Dreimal in der Woche trafen
sich die Frauen an den
Gemeindebacköfen zum
Brotbacken. Es war ein sehr
geselliges Völkchen, das
zusammenhielt und sehr
sozial war. Der Alltag im Dorf
war hart genug und alle im Ort
waren Selbstversorger. Abends
saß man am Kaminfeuer und
erzählte sich dies und das.
Die Kinder spielten mit
selbstgebastelten Spielen.
Der Kuhstall war auch im Haus
mit untergebracht und sorgte
für zusätzliche Wärme. Nur ein
Holzzaun trennte Mensch von
Tier. Man hatte nur sehr wenige
Kühe,
Mit dem Verkauf von selbst gestampfter Butter, von Milch, Eier , Fleisch und
Geflügel konnten sich die Frauen ein bisschen Geld hinzuverdienen. Der Tisch,
an dem der Vater mit den Knechten und den älteren Kindern zu essen pflegte,
war auch gleichzeitig Backtrog und Speiseschrank.
Interessant sind auch die geschlossenen, teilweise zweistöckigen Bettstellen, die
bis ins 20 .Jhdt. in der Bretagne üblich waren. Das Elternbett ist direkt neben
dem Kamin, dann kommt der Mitgiftschrank der Frau und dann das Kinderbett.
In den Nischen des Kamins wurde das Salz aufbewahrt, um es trocken zu halten.
Die Bauern kamen kaum über die Dorfgrenzen hinaus. Nur der Schneider -
der kam überall rum, und der betätigte sich auch schon mal als Heiratsvermittler.
Er kannte alle Leute in der Umgebung und wusste viel zu berichten. Nicht nur die
schöne Lage des Dorfes, die schön renovierten Häuser, auch die alten Tierrassen
und die bretonische Kultur des XIX. Jhdts. verzaubern den interessierten Besucher.
Es ist auch möglich hier selbst mal mit anzupacken und beispielsweise mal eine Kuh
zu melken. Auch eine Töpferwerkstatt und eine Dorfgaststätte laden zum Verweilen
ein. Die vielen Aktionen locken Groß und Klein und erwecken vergangene Zeiten sehr
anschaulich wieder zum Leben.
Zufällig ist auch ein sehr nettes bretonisches Gesangsduo heute hier und geben
traditionelle bretonische Tanzlieder aus verschiedenen Regionen der Bretagne
zum Besten. Einige bretonische Besucher tanzen stolz mit.
Die folgende Nacht verbringen
wir auf dem Campingplatz
in Baud. In dem kleinen Lädchen
in Quistinic kaufen wir noch ein
bissel was ein. Dabei macht uns
eine Tafel an der Kirche
gegenüber des kleinen Geschäfts
noch neugierig -
Saint Mathurin:
Missionar, Heiler und Exorcist .
Da interessiert uns aber schon,
was ihn wohl berühmt,
ja sogar heilig gemacht hat.
Und siehe da, in der Kirche findet
sich ein Hinweis. Neben anderen
erfolgreichen Teufelsaustreibungen,
soll er in Rom gar die Tochter
von Kaiser Maximilian exorziert
haben. Ein Fenster in der Kirche
beschreibt diese Szene im Bild.
Zu Ehren dieses heiligen Priester
findet alljährlich im Mai hier die
Wallfahrt statt.
Er soll sich hauptsächlich in
Montcontour und Quistinic
aufgehalten haben. Seine
Reliquien wurden in Larchant,
sowie in St. Mathurin im Pariser
"Quartier Latin" aufbewahrt.
Wenn ich es richtig verstanden
habe, soll aber auch hier in der
Bronzebüste ein Reliquienschrein
mit seinen Überresten sein.
Später wurde er gar zum
Schutzpatron der Clowns und
Komiker und auch für die
Seeleute in der Bretagne und in
Paris wurde er zum Schutzpatron
der Zinngießer. Direkt neben der
Kirche ( XVII.Jhdt.) erinnert am
Dorfplatz ein Kriegsdenkmal
an die Verstorbenen der beiden
Weltkriege.
Zwei Tafeln weisen auf das " Maison Ti Anna " und auf die
" Fontaine Saint-Mathurin" hin. Gut, dass wir uns mit dem Wohnmobil auf die
Suche gemacht haben, denn es geht ein ganzes Stückchen den steilen Berg
hinab, den man auf dem Rückweg auch wieder hochlaufen müsste. Die letzten
100 m, beim Aufstieg gefühlten 500 m, muss man aber doch noch zu Fuß gehen.
So dient das Bild von der eigentlichen Quelle auch als eindeutiger Beweis dafür,
dass wir bis ganz unten waren - zumindest Eine von uns. Hier befindet sich auch
das " Lavoir" Saint-Pierre aus dem XVII. Jhdt. Es ist sehr gut erhalten und
liegt malerisch im Wald, ebenso wie eine schön renovierte alte Chaumiere.
Was sich der Erbauer des
Calvaire " Saint-Mathurin "
wohl gedacht hat, als er
die Statue des
Heiligen Mathurin, als
Bischof verkleidet, in eine
etwas sehr kleine Nische
reingezwängt hat ?
Wir haben
es nicht erfahren . Der Calvaire
steht am Ortsrand.